steirischer herbst 2007
monoton.at - 22.09.2007
.live: Anna Ternheim und The Tiny live in Graz + Interview*


»online

Es ist ein schöner Samstag Nachmittag im September. Die Menschen in Graz rekeln sich in der Sonne, um noch die letzten Stunden in diesem Jahr genießen zu können. Unterdessen in einem Gebäude - dort wo früher einmal eine Druckerei ihr zu Hause hatte - bereitet sich eine der bemerkenswertesten Sängerinnen der letzten Zeit auf ihren Auftritt im Rahmen des steirischen herbstes vor.

Was kann man nicht über diese Frau alles schreiben. Geboren in Stockholm, ein Auslandjahr in den USA - wo sie auch ihre erste Band „Soava“ gründete. Nach einem Aufenthalt in der Schweiz, wo sie sich dem Studium der französischen Sprache zu widmete, kehrte sich in ihre Heimat zurück um an ihrem Architekturstudium zu feilen. Gerüchten zufolge arbeitete sie jedoch mehr an der Intensivierung ihrer Songwriting-Künste. Geworden ist daraus eine sehr beachtliche Musikkarriere. Doch was macht das ‘Phänomen Ternheim’, das vor allem in Schweden und im skandinavischen Raum immense Ausnahme annimmt, ist aus? Das Debüt der 29-jährigen Sängerin begeistert durch dessen treffsichere wie zerbrechliche Musik. Musik, die keineswegs nur bloße Melancholie widerspiegelt, sondern vor allem auch die Kraft die man aus dieser vermeintlichen Zerbrechlichkeit schöpfen kann. In Ternheims Lieder geht es stark um die Auseinandersetzung mit der Liebe und dem Verlassenwerden. Sie schafft es, in ihren Texten eine gewisse Stimmung zu erzeugen, die berührt, die einen mitnimmt, ohne dabei auch nur ansatzweise in die ‘Gefahren-Zone Kitsch’ abzudriften.

Ternheims Debüt ‘Somebody Outside’ folgt nun ein Nachfolger. Das aktuelle Album hört auf den Titel „Separation Road“. Bemerkenswert am neuen Werk sind nicht nur die vielschichtigen Streicherkompositionen sowie die Einflüsse von Jazz und Blues, sondern auch die Art und Weise wie und wo die Texte entstanden sind. Album Nummer 1 wurde noch in der Abgeschiedenheit - der Insel Gotland - geschrieben, das aktuelle Werk hingegen zwischen Massen an Konzerten und Interviewterminen. Dennoch hat die Neuveröffentlichung - auch dank der der einprägenden Stimmung - nichts an Einfühlsamkeit eingebüßt.

Vor ihrem Auftritt fand Anna Ternheim noch Zeit, um sich einigen unserer Fragen zu stellen…

monoTon: Anna, du bist eine sehr bekannte Künstlerin in Skandinavien. Du wurdest ja unter anderem zum „Female Act 2007“ in Schweden gewählt. Wie fühlt es sich für dich an, nun in Deutschland und Österreich auf Tour zu sein, wo dich die Leute noch nicht wirklich kennen…

Anna: Es macht mir überhaupt nichts aus, wenn ich auf der Straße nicht erkannt werde. Ich liebe die Unterschiedlichkeit von den verschiedenen Konzert-Orten oder die des Publikums. Diese Situationen geben mir sehr viel neuen Input und neue Ideen. Ich versuche daher auch, in Deutschland und Österreich einen Weg zu finden, das Publikum zu erreichen. Doch dies braucht Zeit. Ich habe schon so oft in Schweden gespielt und in beispielsweise Österreich bis jetzt erst zwei Mal. Mein Ziel ist es, gute Musik und schöne Konzerte, die auch eine sehr schöne Stimmung erzeugen, zu liefern. Es macht aber keinen Unterschied ob ich jetzt in einer großen oder kleinen Konzerthalle auftrete.

monoTon: Wenn man deine Lieder hört, fragt man sich manchmal: Macht die Dame wirklich alles selbst? Vom Texten bis zum Komponieren? Oder konzentrierst du dich eher nur auf die Lyrics?

Anna: Ich mache beides. Ich schreibe die Texte und komponiere auch selbst. Oft ist es sehr schwer, mit was man beginnt. Einmal beginnt man einen Text zu schreiben, aber man findet einfach kein Arrangement dafür, da braucht man dann sehr lange, um alles fertig zu bekommen. Ein anderes Mal braucht man vielleicht 10 Minuten, um einen Song fertig zu bekommen. Es ist wirklich eigenartig und manchmal auch sehr frustrierend wenn es dann mal nicht sofort klappt. Es gibt aber bei mir keine Struktur was zuerst kommt. Mal kommt der Text zuerst, dann die Musik, oder eben umgekehrt.

monoTon: Deine Musik ist sehr vielschichtig angelegt. Welche Musik hörst du privat oder durch welche Künstler wirst du inspiriert neue Lieder zu schreiben?

Anna: Ich höre alle verschiedenen Arten von Musik. Ich höre Jazz, Pop – pure Britpop. Im Moment höre ich aber nicht sehr viel Singer/Songwriter-Zeug. Seit dem Frühling hörte ich am liebsten Michael Jackson, die alten Quincy Jones-Platten. Es verändert sich ständig. Ich höre auch gerne Opern. Ich nehme einfach Stücke, Teile die mir gefallen. Ich bin nicht der Mensch, der in einen Plattenladen geht und unbedingt die neueste Musik sucht. Ich höre einfach gerne das, was mir gefällt. Es kann aber auch sein, das ich gar nicht höre und nur die absolute Stille genieße.

monoTon: Die altbekannte Frage: Du gehst auf eine einsamen Insel, darfst aber nur maximal drei Dinge mitnehmen. Welche wären das?

Anna: Das ist wirklich eine gute Frage. Schwierig zu sagen. Entweder ich versuche die Antwort intellektuell zu gestalten oder wahrheitsgetreu. (lacht) Ich würde sagen eine gute Flasche Wein, ein Buch und mein Mobiltelefon.

monoTon: Zum Abschluss noch eine Frage: Welche Frage hasst du oder bringt dich nicht gerade ins Schwärmen während eines Interviews?

Anna: Schwierig zu beantworten. Eigentlich kenne ich solche Fragen nicht oder zumindest fallen mir jetzt keine ein. Ich habe mit den Jahren aber gelernt, nicht auf jede „blöde“ Frage zu antworten. Vor allem in diesem Punkt ist mir mein Privat-Leben sehr wichtig…


Nach solch einem sympathischen Interview-Auftritt steigt Ternheims Konzert in der ehemaligen Medienfabrik, Graz im Rahmen des Steirischen Herbstes.

Als Vorband des Abends agierte übrigens die Band „The Tiny“. Das Ergebnis: Eine gelungene Einstimmung für den darauffolgende Ternheim-Gig. Die Band verzaubert mit Piano, Kontrabass und Synthie das Publikum - kurz: durchwegs stimmungsvolle und einprägsame Soundmuster. Es entsteht ein wollig warmes Gefühl der Emotionen, wenn man die junge Fomation erlebt. Laut Eigen-Definition fühlt man sich zur Musik von CocoRosie sehr hingezogen. Das hört man. Je länger das Konzert nämlich andauerte, desto mehr bestätigte sich dieser Ansatz - indem „wild“ experimentiert wurde, ohne jedoch auch nur einmal die Gesamt-Harmonie zu verlieren.

Danach aber der Auftritt von Anna Ternheim. Wie erwartet überzeugte sie durch ihre gekonnte Mischung aus Traurigkeit und Hoffnung. Aus hoffnungsvoller Liebe und dem daraufolgenden Verlust. Wie auf ihrem Alben gelingt es Ternheim auch live sehr gut, diese Emotionen zu vermitteln. Das Besondere daran: Sie tritt ohne Live-Band auf und wird nur durch wenige Samples bei so manchem Lied unterstützt. Dies schafft zusätzlich eine sehr intime Atmosphäre, die einen danach an einen sehr sehr schönen Konzert-Abend erinnern lässt.

Sofern Frau Ternheim in unseren Breitengraden noch eine relativ unbekannte Künstlerin sein mag, in Graz ist sie es nach diesem beeindruckenden Auftritt sicherlich nicht mehr.
Thomas Kerekes



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
created with wukonig.com
Bitte installieren Sie den Flash Player 8.
Sie können Ihn kostenlos unter folgender Adresse herunterladen: http://adobe.com/go/getflashplayer/