steirischer herbst 2007
Die Furche - 17.10.2007
Wie uns die Alten sungen
Roger Vontobel taucht mit Gerhild Steinbuchs Stück „verschwinden“ unter.

Gerhild Steinbuch zählt zu jenen jungen Dramatikerinnen in den heimischen Dichterhainen, der man gewünscht hat, dass sie noch für längere Zeit dort unentdeckt bleiben könnte, um sie möglichst lange vor den unweigerlich über sie hereinbrechenden Bühnenstürmen zu bewahren. Doch es scheint, dass der Theaterbetrieb davon nicht viel hält. Man erfreut sich an unverbrauchtem Anspruch und hoffnungsvoller Erzählkunst, um sie an gierig schnüffelnde Stückebestäuber weiterzureichen.

Steinbuch hat mit ihren 24 Jahren bereits einige viel beachtete Stücke auf Bühnen in Österreich, Deutschland und Dänemark gebracht, beim Bachmann-Lesen 2005 debütiert und eine Reihe wichtiger Preise gewonnen. In der Tat findet man heute unter all der Verständlichkeitsprosa, die zyklisch auf die Theaterbühnen gekippt wird, selten junge, kühne Stücke, die einen bewegen, weil sie den Mut haben auch Fehler zu machen. Unzweifelhaft sind Theaterabende, in denen unbefangen und frei heraus erzählt wird und die Regie bei geringem Reibungsverlust das Werkl in Schuss hält, allemal bekömmlicher. Doch da wird uns zumeist erzählt, was uns bereits zu Ohren gekommen ist. Das wahrhaft Unerhörte enthält man uns vor.

Mit „verschwinden“, uraufgeführt im zu Ende gegangenen diesjährigen steirischen Herbst, hat Steinbuch einen unzugänglichen und keineswegs über alle Zweifel erhabenen Text erarbeitet. Ausgehend vom Antigone Mythos skizziert sie eine an der Oberfläche glatt geputzte, tief- und abgründig verstrickte Familie, die ordentlich an ihren politischen und moralischen Werten zu kauen hat. Und die letztlich ganz leise an ihrem Umgang mit den Alten erstickt.

Was den Abend auf der Schaubühne der Grazer Oper aber tatsächlich zum Ersticken brachte, war Roger Vontobels Regiebebilderung. Den Text einmal an sich gerissen, hat er diesen mit viel Aktionismus befruchtet und alles Eigenwillige entsorgt. Steinbuchs Antigone Lara (Sophie Hottinger) ist äußerst zögerlich, Steinbuchs Kreon Heinz (Dominik Warta) betreibt hochpotent Familien- und Altenpolitik und Laras Bruder Oed (Claudius Körber) gibt als Altenpfleger einen zappeligen Schmerzensmann. Um sicher zu gehen, dass auch die letzten froh Gestimmten im Publikum den aktuellen Gesellschaftszustand zu deuten wissen, schickt Vontobel am Ende noch einen 15köpfigen Seniorenchor in den Tod. Was können wir also wissen? Der Abend ist nicht zu retten!

Barbara Rauchenberger



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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