steirischer herbst 2007
Die Presse - 17.10.2007
Beuget die Knie! Erhebet euch!
"Gestures of Infinity" des Kulturzentrums bei den Minoriten: Künstler verwandeln religiöse

Der Mann im dunklen Anzug kniet auf dem Zebrastreifen in der großen Stadt. Er senkt den Kopf, eine Polizeistreife rauscht vorbei. In großformatigen Fotos inszeniert sich der Kroate Zlatko Kopljar als Pilger, dessen Ziel mächtige westliche Metropolen sind - New York, Washington, London, sein himmlisches Jerusalem. So wie Kopljar haben sich für das Kulturzentrum bei den Minoriten neun weitere Künstler aus dem Fundus religiöser Gesten bedient; daraus wurde in den Galerien Graz im Priesterseminar die beachtliche Ausstellung "Gestures of Infinity".

Manche Gesten sind subtiler als die von Kopljar. Die Irin Abigail O'Brien gibt Einblick in den "Ophelia-Room" aus ihrem großen Werk "Sieben Sakramente". Da geht es ums Sterben. Bei O'Brien wird der Tod ein anonymer Akt, ihre Fotos zeigen die Kühlboxen eines
Leichenschauhauses, unzustellbare Briefe in einer Postsortierstelle oder, intimer, ein gehäkeltes, leicht beschädigte Memento mori und eine Urne aus Eis.

Wilder geht es in der Videoinstallation "Them" des Polen Artur Zmijewski zu. Er hat kontroverse Gruppen - Gläubige, Nationalisten, Linke - gebeten, in einem Workshop ihre Positionen
künstlerisch darzustellen, sie sollen sich auch in das Werk der anderen einmischen. In 20  Minuten brennen die Kirchen, blitzen die polnischen Schwerter. Die anderen, das sind die Feinde.

Marta Deskur, ebenfalls aus Polen, lässt ironisch Heilige Väter, ganz in Weiß über weißen Blüten, die Kunst der Levitation ausüben, vor idyllischer polnischer Landschaft.

Auch den aus Wien stammenden Manfred Erjautz drängt es hinan: Auf seinen fliegenden Teppichen sind Sicherheitsgurte befestigt. "Erhebet euch!" heißt es auch für den Polen Robert Rumas. Der blaue, nett bewölkte Himmel dient als Hintergrund für 16 Paare betender Hände, die bei näherem Hinsehen verzweifelte bis obszöne Gesten machen. Einige Hände sind streng gefesselt wie die der Gefangenen von Guantanamo.

Still, kontemplativ ist die Videoinstallation der US-Koreanerin Kimsooja. Zwei gegenüberliegende Bildschirme zeigen dieselbe Straßenszene aus Istanbul. Auf der einen Seite hört man bei "Sewing into Walking - Istiklal Cadessi" buddhistische Mönchsgesänge, auf der anderen Rockmusik.

Kleine Gemmen stammen vom Russen Gor Chahal, dessen "Stages" mit kreisenden cyrillischen Schriften hypnotisieren, und vom US-Österreicher Hannes Priesch, der aus Wörtern der Unschuld solche der Aggression ableitet: "laughter/slaughter" ist solch eine gemalte Ambiguität.

Die Italienerin Grazia Toderi zeigt ein ästhetisch verheißungsvolles Video. "Rosso Babele" lässt aus einem romanischen Fenster auf eine nächtliche Stadtlandschaft blicken, über der sich Lichtpunkte zu zyklischen Figuren formen. Eine Leuchtschrift über dem Turm zu Babel? Ein lasergesteuerter Angriff auf Bagdad? Eine Botschaft von oben? Darüber kann man lange meditieren.

Bis 20. Oktober in Graz, Bürgergasse 2.

Norbert Mayer



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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