steirischer herbst 2007
Kronen Zeitung - 06.09.2007
Stachel im Fleisch der Gesellschaft
Zum 40. "steirischen herbst": Interview mit der Intendantin Veronica Kaup-Hasler

Am 20. September startet der "steirische herbst", das zweite Mal unter der Intendanz von
Veronica Kaup-Hasler. 2007 begeht das Kunstfestival ein Jubiläum: 1968 auf die Initiative Hanns
Korens gegründet, findet der "herbst" zum 40. Mal statt. Im Interview mit der "Steirerkrone"
spricht Kaup-Hasler über das Jubiläum, Mythenbildung, wirtschafliche Abhängigkeit, Graz und
seine Kulturszene und darüber, warum man beim "herbst" in gewisser Hinsicht noch immer 1992
schreibt.

Wie geht ein Festival, dass sich der der Gegenwart verschrieben hat, mit einem Jubiläum um?
Veronica Kaup-Hasler: "Es wäre lächerlich zu meinen, dass es eine Midlife Crises gäbe. Der
,herbst hat sich immer wieder neu erfunden. Jede funktionierende Institution zeichnet sich durch
Veränderung aus, durch ihr Wirken auf Gesellschaft und Zeit. Der Blick zurück ist jedoch eine
Bereicherung, weil er zeigt, dass der ,herbst zu allen Zeiten Potenzial hatte, dass Kunst immer
wieder ein gesellschaftliches Korrektiv, einen ,Stachel darstellt. Das war früher vielleicht einmal
lauter, schriller. Gerade in den Anfangsjahren war das Umfeld so konservativ, dass schnell etwas
zum Skandal geriet. Dinge, die man heute belächeln würde. Die Festival-Geschichte ist auch ein
Fundus für Mythen und Erzählungen, für rückwärtsgewandte Projektionen. Ich hatte kein
Interesse, das Jubiläum klassisch zu begehen, mit einer historischen Ausstellung. Unsere
Aufgabe ist, neue Kunst zu schaffen, die sich mit der Geschichte auseinandersetzt. In der
Ausstellung im Stadtmuseum passiert das. Oder im Projekt ,Fortysomething, das direkt die
Mythenbildung ums Festival aufgreift."

Kann die Beschäftigung mit der Tradition auch zur Last werden?
"Eher Lust als Last. Es gibt aber Projekte, die wir aufgrund der Budgetsituation nicht realisieren
können. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Archivs wäre wunderbar, aber das würde Jahre
beanspruchen."

Das Festivalzentrum ist heuer ein temporärer Bau auf dem Karmeliterplatz, der nach Ende des
"herbst" wieder verschwindet.
"Das Zentrum ist Ausdruck des Festivalgedankens. Ein Treffpunkt für Publikum, Künstler,
Journalisten. Der soziale Raum kommt bei Festivals ja oft zu kurz. Es ist auch spannend, einen
Ort zu schaffen, von dem klar ist, dass er wieder verschwindet. Das Fatale an Denkmälern ist,
dass sie kurz zum Denken anregen und dann zur Stadtmöblierung werden. Der Raum, der
verschwindet, verweist vielleicht auch auf eine Lücke im Gefüge der Stadt."

Wie würden Sie Graz mit Ihren bisherigen Stationen wie Wien und Hannover vergleichen? Hat die Stadt Sie überraschen können?
"Gemessen an der Größe bietet Graz wahnsinnig viel. Camera Austria, Kunstverein,
Medienturm, Neue Galerie und viele andere: Es gibt starke Positionen, viele kleine Szenen, die
international arbeiten. Gleichzeitig hat die Stadt eine Beschaulichkeit im Leben und Alltag, die
man genießen kann, die teilweise auch nervt."

Wie hat sich Ihr Verhältnis zur Grazer Kulturszene entwickelt?
"Ich glaube, die Botschaft, dass wir den Dialog suchen, ist angekommen. Manchmal würde ich
mir mehr Austausch und eine Diskussionskultur wünschen, die sich nicht in Beiräten oder
institutionalisierten Formen erschöpft, sondern wo es um Inhalte geht. Ich habe den Eindruck,
dass sich die unterschiedlichen Szenen in Graz auch gerne um sich selber kümmern, man
wundert sich etwa bei Vernissagen darüber, wer nicht da ist. Das ist provinziell."

Ihr Vertrag läuft Ende 2009 aus, denken Sie an eine Verlängerung?
"Ich verspüre eine große Lust an Graz und an der Aufgabe. Der ,herbst ist in der Verbindung
aus internationalem Anspruch und lokaler Bindung europaweit einzigartig. Ich bin Medien und
Politik dankbar, dass beim ,herbst nicht über Quoten diskutiert wird, das ist nicht
selbstverständlich in einer Zeit, in der sonst alles quantifiziert werden muss. Ein Ziel wäre, das
Festival durch die Anhebung der Subventionen auf ein neues Niveau zu heben. Wir sind derzeit
am Stand von 1992, den müssen wir überwinden. Dann wären wir auch nicht mehr so abhängig
von der Wirtschaft, von der wir derzeit 400.000 Euro lukrieren müssen. Das ist extrem schwer."

Martin Gasser



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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