steirischer herbst 2007
Kleine Zeitung - 01.10.2007
Dr. Borat in Wetzelsdorf
"steirischer herbst"-Open Air mit dem Theater im Bahnhof: Sex im Gegenlicht und Erinnerungen an Wolfgang Bauer selig.

Die Bühne misst etwa sieben Hektar und ist ein abgeerntetes Maisfeld in Graz-Wetzelsdorf. Der
Blick gegen die untergehende Sonne soll die versteppten Weiten Kasachstans suggerieren. Aber
eigentlich ist es die weitläufige Wohnung der Porno-Queen Seymour mit Zimmernamen wie
Aserbaidschan, Armenien, Berg-Karabach etc.

Fünf Darsteller ohne nennenswerte Requisite sind in Aktion. Ihre Texte kommen
voraufgezeichnet aus Lautsprechern, meist laufen sie weiträumig herum, dazwischen wird in allen
Varianten kopuliert. - Eigentlich die klassischen Bestandteile für garantierte Langeweile.

Aber wir haben es ja mit der Off-Legende Theater im Bahnhof zu tun; diesfalls verstärkt durch
die kasachische Truppe "Art& Shock". Und so entwickeln sich die 70 Minuten zu einem veritablen
Erlebnis, einem Anti-Event mit starken Anleihen beim absurden Theater in der Tradition des
seligen Wolfgang Bauer.

Textgrundlage sind Reisenotizen des Grazer Biologen und Kamerakünstlers Christoph Grill,
dessen beeindruckende Bilder erst jüngst in der "Camera Austria" zu sehen waren. Weiters
parodierte Fragmente des berühmten Pornos "Pure Lust"; dazu Witze und Bonmots, erdacht von
den TiB-Leuten. Unterlegt mit den Reise(verweigerungs)theorien von Claude Lévi-Strauss.

Regisseur Helmut Köppings Kalkül geht auf: Angestrengt linst das Publikum gegen die
sinkende Sonne, wenn es auf dem Acker in der Ferne mundfertig und penetrativ zur Sache geht.
Dass sich auf der gegenüberliegenden Brauhausstraße ein kleiner Autostau bildete, hing mit
dem dortigen Rückenlicht und der somit besseren Sicht auf die (vermeintliche) Sex-Orgie
zusammen und setzte der Regie noch ein extern generiertes Krönchen auf. Dann ging die Sonne
hinter dem Plabutsch unter, der Blick klärte sich - doch das Stück war aus.

Diese "herbst"-Produktion, eine Art Borat auf akademischem Niveau, spielt exzellent mit dem
Festival-Motiv Nähe/Distanz und wohl auch mit dem üblichen Todernst in der Kunst.

FRIDO HÜTTER



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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