Kleine Zeitung - 24.09.2007
Ein Abend im Autistenclub
Eine "herbst"-Uraufführung, die einen im besten Fall ratlos hinterlässt.

In einer Welt, die einem pausenlos Antworten auf nicht gestellte Fragen entgegenplärrt, könnte
man schon ein wenig Mysterium vertragen. Rätsel ohne Lösung, Fantasie ohne Haltegriffe,
Fragen ohne Antworten.

deufert + plischkes Tanz(?)performance "reportable portraits" hätte so ein Abend werden
können. Doch leider löste er selbst geringste Erwartungen im höchsten Maß nicht ein.

Fabulöse Programmzettel sollten einem stets eine Vorwarnung sein. Wenn d+p dort vermerken,
sie wollten das "normierende Modell des heterosexuellen Paares durch die Fiktion des
Künstlerzwillings" ersetzen, klingt das ja noch ganz interessant.

Dass dies durch einen "auf geteilte Notizen basierenden kollektiven Schreibprozess" erarbeitet
wurde, könnte einen bereits stutzig machen.

Definitives Rotlicht verdient indes die Passage, ob des Mangels an verbalen
Ausdrucksmöglichkeiten entwickle sich "eine mögliche Sprache der Choreographie, die die
Ordnung der Bilder in Frage stellt". - Eine mögliche Choreographie wohl eher.

Fünf Personen betreten der Reihe nach die spartanische Bauplastik-Neon-Arena. In
hermetischen Bewegungsabläufen zitieren sie Stilbrösel von Tai Chi, Qigong, Break, New Dance
und etwas Pantomime. Selten kommen sie einander nahe und das bloß, um unverzüglich wieder
auseinanderzustreben. Die tänzerische Leistung bleibt minimal.

Das geht den ganzen Abend so. Selbst der willigste Betrachter forscht vergeblich nach Fragen,
die hier gestellt werden könnten. Nach Sinn oder wenigstens Absicht. - Vergebens, diese
Uraufführung wirkt wie das selbsttherapeutische Privatissimum eines Autistenclubs, der jede
Zugänglichkeit verweigert.

Man denkt unvermeidlich an den Kritikerwitz, der da lautet: Als ich gegen Mitternacht auf die
Uhr schaute, war es kurz vor neun. - Da ist in diesem Fall das Ganze schon gottlob vorbei.

Frido Hütter