steirischer herbst 2007
Der Standard - 20.09.2007
Jenseits des Sprachgefängnisses
Neuzugang aus Übersee: Nature Theater of Oklahoma - und Tim Etchells

Wer beim Nature Theater of Oklahoma Assoziationen zu Kafka hat, liegt vollkommen richtig.
Die berühmte Schauspieler-Rekrutierungsszene im Roman Der Verschollene vulgo Amerika
("Wer Künstler werden will, melde sich!") steht Pate für das gleichnamige New Yorker Off-off-
Broadway-Ensemble von Pavol Liska, gebürtiger Slowake.

Der 33-jährige Regisseur, der mit seiner Gattin Kelly Copper das Nature Theater of Oklahoma
leitet, hat sich eines Tages im Jahr 1991 in der slowakischen Kleinstadt Skalica den Sowjet-Staub
von den Schultern geklopft und wanderte aus nach Amerika, Oklahoma. Die englische Sprache
hat er von Touristen gelernt. Sie wurde, zumindest auf der Bühne, nicht zu seinem
Lieblingskommunikationsmittel. Seiner Überzeugung nach findet Kommunikation in Gesten und
Bewegungen statt. Nicht in Worten. "Sprache hat sich in der Postmoderne als ungeeignetes
Gesprächsmittel erwiesen", so Liska.

Und konsequenterweise hat er dann auch in seiner New Yorker Tschechow-Inszenierung den
Drei Schwestern die Dialoge entzogen. Der Mann ist nicht zimperlich ( Die Möwe etwa geriet zur
Gestenrevue mit Gummihendl) und schwört ganz auf Performance-Art. Man sollte anfügen: Liska
hat auch beim im Ruf des "totales Theaters" stehenden Ontological-Hysteric Theater des Richard
Foreman gearbeitet.

Die ausgelassene Oklahoma-Compagnie, in Europa ein unbeschriebenes Blatt, bittet darum,
nicht klassifiziert zu werden. Und so ist in Besprechungen häufig zu lesen, dass sich die Gruppe
mit jeder Produktion neu zu definieren trachtet. Zum steirischen herbst kommt sie mit der
deutschsprachigen Erstaufführung von No Dice (übersetzt etwa "Da läuft nichts!"). Das
ursprünglich elfstündige melodramatische Spektakel wurde entschlackt - auf dreieinhalb als
kurzweilig diagnostizierte Stunden. Es basiert auf rund einhundert Stunden aufgezeichneter
Telefongespräche über Arbeit, Religion oder Kunst.

Fragen wie "Sollte ich vielleicht weniger trinken?" oder "Werde ich gefeuert?" knüpfen dabei
einen maßlosen narrativen Strang, dem - zur Kenntlichmachung - Dialoge eines Dinner-Theaters
gegenübergestellt werden.

Ein zweites Highlight im Theaterprogramm markiert ein in Österreich bestens eingeführter
Festival-Stammgast: Tim Etchells. Der Kopf der britischen Forced Entertainment hat, diesmal
solo, erstmals mit Kindern gearbeitet. In That Night Follows Day , eine Zusammenarbeit mit dem
Produktionslabel Victoria in Gent, wird die Perspektivierung der Kinderwelt durch Erwachsene
durchleuchtet. Es geht um Prozesse der Prägung und um Projektionen.

Margarete Affenzeller



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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