steirischer herbst 2007
Falter Steiermark - 26.09.2007
Ein Platz unter der Sonne
Kunst kann die Welt ein bisschen gerechter machen. Glauben Margarethe Makovec und Anton Lederer, die demnächst ihren legendären Kunstverein an neuem Ort wieder aufsperren. Ein Kaffeehausgespräch im Bezirk Lend.

Das Café Cillino im "Styria-Center" macht optisch einiges her. Es ist die hohe Kunst der Ein-
Euro-Shop-Deko, die hier in Formvollendung vorgeführt wird. Schummrige, gelbe Lichtgirlanden
sind über die kleinen Tische gespannt, rundum rankt sich künstliches Grün die vertäfelten Wände
empor. In einer Dichte, die gerade noch gemütlich ist. Türkische Frauen huschen am Café vorbei
in Richtung Supermarkt, an den Nebentischen versitzen Frührentner Zeit beim ersten Bier.

Schräg gegenüber dem kleinen Einkaufszentrum, das ins Herz des Grazer Bezirks Lend gebaut
ist, und in unmittelbarer Nachbarschaft einer Peep Show wollen Margarethe Makovec und Anton
Lederer in wenigen Wochen ihren neuen Kunstraum eröffnen. Sie sind nicht die Einzigen, die
versuchen, die Kunst in die Randbezirke der globalisierten Warenwelt der Stadt zu tragen.
Kunsthaus, Camera Austria und Medienturm sind auch schon da (siehe S. 9). Aber Makovec und
Lederer haben hier am rechten Murufer Pionierarbeit in Sachen Kunst geleistet, haben - nach
ersten Ausstellungen in der eigenen Wohnung - ihren "Raum für Kunst" 1997 in der Griesgasse
aufgesperrt, sind im Jahr 2000 als <rotor> in die Belgiergasse umgezogen. Zuletzt musste es
eine Zeit lang ohne eigenen Raum gehen: Noch mitten im Taumel des Kulturhauptstadtjahres
kürzte die Stadt Graz die Förderungen für den Kunstverein, der mit zwei großen Projekten an
Graz 2003 mitwirkte. "Das war für uns ein deutliches Alarmzeichen", erinnert sich Anton Lederer.

Die Budgets sind inzwischen längst konsolidiert, für die Zukunft in der neuen Galerie, in den
weitläufigen Räumen des früheren Entrümpelungsunternehmens Sorgmann in der
Volksgartenstraße, hat sich das Kuratorenpaar nun viel vorgenommen: Drei Jahre lang wollen
Makovec und Lederer erforschen, welchen Beitrag die Bildende Kunst dazu leisten kann, um das
Thema Menschenrechte in der Öffentlichkeit wieder ein wenig bewusster zu machen. Ihr von der
Europäischen Union gefördertes Projekt "Land of Human Rights" - europaweit die sechsbeste
Einreichung der Ausschreibung - soll dabei weit über die Grenzen des Bezirks Lend und der
selbsternannten "Menschenrechtsstadt Graz" hinaus strahlen.

Makovec und Lederer wissen, worauf sie sich da einlassen und dass der Versuch, mit der
Kunst die Schwelle des Kunstraumes zu überschreiten, gar nicht einfach ist. Andererseits hat der
<rotor> seit seiner Gründung immer wieder die Schnitträume von Kunst und politischem
Aktionismus erkundet, ausgiebig im öffentlichen Raum experimentiert und diese Erfahrungen
über ein weitverzweigtes Netzwerk mit gleichgesinnten Kunstvereinen und jungen Künstlern in
Graz, vor allem aber in Ost- und Südosteuropa ausgetauscht. "Never stop the action", das
"Balkan-Konsulat" oder die europäische Wanderausstellung zu zeitgenössischer Roma-Kunst
("Wir sind wer wir sind") haben die Kunstlandschaft nicht nur in Graz nachhaltig geprägt. Ganz
abgesehen davon, dass die <rotor>-Vernissagen immer zu den gesellschaftlichen Fixpunkten des
Stadtlebens zählten. Die beiden müssen den "Volksgarten" daher auch nicht erst mit bunter
Soziokultur erkunden, wie es das Kunsthaus derzeit versucht.

Aber auch der rein analytische Blick, der vielen zeitgenössischen Arbeiten, die sich mit den
Auswirkungen der Globalisierung beschäftigen, eigen ist - in der aktuellen Schau der Neuen
Galerie zur Gerechtigkeit im Welthandel etwa, aber auch auf der diesjährigen Biennale von
Venedig -, geht Lederer und Makovec oft zu wenig weit. "Für uns waren immer Künstler
spannender, die einen Schritt weiter gehen", sagt Anton Lederer. Das "Land of Human Rights"
will sich daher auch mit "künstlerischen Visionen" zur Situation der Menschenrechte in Europa
auseinandersetzen. Auch das hat im <rotor> Tradition. Schon für "real*utopia" im Jahr 2003
wurden Künstler eingeladen, urbane Utopien für konkrete öffentliche Orte im Bezirk Gries zu
verwirklichen. Das Moskauer Kollektiv AES hat damals einen lebensgroßen "Beduinen" im
Kosmonautenanzug, bestickt mit Suren aus dem Koran, vor einem Grazer Luxushotel montiert.
Das Visionäre soll auch die künftigen Aktivitäten prägen, die erste Ausstellung in den neuen
Räumen, die am 29. November eröffnet, oder den "Reader", den Michael Blum vorbereitet, als
Künstlerbuch in hoher Auflage, das die Möglichkeiten, sich gegen die Abschiebung von
Asylwerbern zu wehren, thematisieren soll. Auch Filmabende, Diskussionen und Artist in
Residence-Programme wird es geben.

Als kleinen Vorgeschmack auf das Gesamtprojekt haben Makovec und Lederer nun die erste
einer ganzen Reihe von Poster-Serien drucken lassen, die - im Rahmen des steirischen herbst -
präsentiert und in einer Auflage von 20.000 Stück bei befreundeten Institutionen von Istanbul bis
Dresden zur freien Entnahme aufgelegt wurden. Die vier Motive der ersten Serie verhandeln so
plakativ wie differenziert Themen wie Frauenrechte und Medien in Kroatien (Sanja Ivekovic}), das
Verhältnis der orthodoxen Kirche in Rumänien zu Homosexualität (h.arta group) oder die
fehlenden Arbeitschancen von Migrantinnen in Österreich (Isa Rosenberger). Die
Herausforderung dabei war, die Themen möglichst allgemein verständlich zu halten, typischen
Kunstsprech in den mehrsprachigen Texten auf den Posterrückseiten zu vermeiden. "Das ist eine
nahezu unlösbare Aufgabe", gibt Lederer zu. Mit "künstlerischen und aktivistischen Strategien zur
Sichtbarmachung von Menschenrechten" wird sich daher auch eine international ausgerichtete
Konferenz Ende November befassen. "Das hat natürlich auch etwas Aufklärerisches", sagt
Margarethe Makovec zum Projekt, das sich den Slogan "everybody has a place under the sun"
aufs Banner geschrieben hat und als Logo das der Vereinten Nationen variiert.

Mit einem Gesamtbudget von 400.000 Euro ist "Land of Human Rights", das <rotor>
federführend und gemeinsam mit Kunstvereinen in Ljubljana, Zagreb, Budapest, Ústi nad Labem
und Dresden eingereicht hat, jedenfalls eines der größten Kunstprojekte der freien Szene. Die
Hälfte des Geldes kommt von der EU im Rahmen von "Kultur 2007", der steirische Zukunftsfonds
hat die langwierigen Vorbereitungsarbeiten ermöglicht. Makovec und Lederer haben sich in
Workshops mit der hohen Kunst von EU-Anträgen befasst, Partnertreffen organisiert, an die
tausend Seiten Papier ausgefüllt und in einer großen Schachtel nach Brüssel geschickt. Unter
Hunderten Einreichungen wurden schließlich 78 Projekte ausgewählt (darunter übrigens auch das
Blog-Projekt des Grazer Schauspielhauses), <rotor> landete bei der Jurierung im absoluten
europäischen Spitzenfeld. Für Makovec ist das ein Zeichen dafür, dass man auch von Graz aus
einen europäischen Diskurs führen kann, sagt sie im Café Cillino: "Es muss nicht immer alles im
kleinen Kreis bleiben. Und nicht nur im steirischen herbst kann man in Graz international
arbeiten."

Thomas Wolkinger



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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