steirischer herbst 2007
Der Standard - 04.10.2007
Soletti knabbern mit Stil und Streeruwitz
Im Rahmen der "Hausbesuche" laden 24 Grazer Gastgeber einen Autor zu sich nach Hause ein.

Autorenbesuche auf der rotweinbefleckten Wohnzimmercouch sind für routinierte Leser der
Normalzustand. Gemeinsam verbringt man auf ihr - oder an noch intimerem Ort - Stunden, Tage,
Nächte.

Im Lauf solcher Begegnungen entsteht über die Monate und Jahre hinweg eine enge
Beziehung, die nur einen Nachteil hat (der auch ein Vorteil sein kann, allerdings): Sie ist einseitig.
Gesellt sich der Autor doch meist in Papierform zu seinem lesenden Gefährten.

Ein Mangelzustand, mit dem sich abzufinden der routinierte Leser gleichfalls gelernt hat. Ihm
abzuhelfen, pilgert er nächtens in Literaturhäuser und an andere öffentliche Orte, wo er seinen
Couch-Gefährten zwar mit hunderten (na ja) anderen Gleichgesinnten Mono-Beziehungs-
Pflegern teilt, ihn (oder sie selbstverständlich) aber im wahrsten Sinn leib- und stimmhaftig erlebt.

Oder er, der routinierte Leser, greift zu einem weiteren Papiergefährten, auch einem Toten,
ohne alle Nekrophilie - und träumt sich etwa mit Musil in die bizarren Reiche der Salons einer
Diotima.

Oder aber er hat Glück, wohnt in Graz und hatte die Geistesgegenwart, sich rechtzeitig für das
Projekt der Hausbesuche anzumelden, das das Literaturhaus Graz in den kommenden Tagen
gemeinsam mit dem steirischen herbst veranstaltet.

Das Prinzip ist ebenso einfach wie schön: 24 Leser, Einzelleser oder Leserfamilien (auf der
Couch mit dem Autor bleibt ohnehin jeder und jede immer ein Einzelner, da hilft auch kein
Vorlesen) bitten an zwei Abenden, am gestrigen Mittwoch, dem 3. Oktober, und heute,
Donnerstag, 4. Oktober, eine Autorin, einen Autor bei sich zu Hause zu Gast.

Dazu laden sie, je nach Maßgabe ihrer wohnlichen Möglichkeiten, zwischen zehn und 1000
(oder realistischer 30) Freunde und Bekannte ihrer Wahl, entfernen durch geschickte
Handhabung des Staubsaugers die Flocken unter der Wohncouch, breiten ein frisches Tuch über
die Rotweinflecken, bereiten ein Buffet, Soletti im Trinkglas und andere Herrlichkeiten - und
harren der Begegnung und der Entwicklung des Abends.

Seit Sommer wissen die Gastgeber, wen sie bei sich begrüßen. Ausreichend Zeit, das
Gegenüber - in der gewohnten Papierform - ausgiebig kennen zu lernen und sich die eine oder
andere gewinnende Frage zurechtzulegen.

Zwölf auf einen Streich
Sollten Sie, lieber Leser, liebe Leserin, die Anmeldung im Frühjahr verschlafen haben, sich
auch nicht zum Freundeskreis der Auserwählten zählen - aber doch in Graz und Umgebung
wohnen, haben Sie zum Trost immerhin Gelegenheit, am Freitagabend das Hausbesuche
Literaturfest im Literaturhaus aufzusuchen, wo alle zwölf Autoren (Esmahan Aykol, Antonio Fian,
Barbara Frischmuth, Daniel Glattauer, Radek Knapp, Edith Kneifl, Lydia Mischkulnig, Kurt Palm,
Stefan Schmitzer, Raoul Schrott, Michael Stavaric und Marlene Streeruwitz) zumindest in
Kurzauftritten aus ihren Büchern lesen und die Besuche per Video nachzuvollziehen sind.


Cornelia Niedermeier



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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