steirischer herbst 2007
Salzburger Nachrichten - 29.09.2007
Alltag wird Kunst, das Theater ist überall
"steirischer herbst": Deutschsprachige Erstaufführung von "No Dice" des "Nature Theater of Oklahoma"

Amerikaner müssen nicht immer gnadenlos sein. Die New Yorker Off-
Off-Broadwaytruppe "Nature Theatre of Oklahoma" verkürzte "No Dice", ihr ursprünglich 11
Stunden dauerndes Grenzgängerprojekt zwischen Theaterstück und Performance-Art, auf eine
210 Minuten-Version, die Donnerstagabend bei der deutschen Erstaufführung im "steirischen
herbst" das Publikum im "The Theatre" verzückte.

Perfekte (obszöne) Gestik und Mimik, raffinierte Improvisationen sowie ein ausgeprägter Hang
zum Humor, der aber nicht mit billigem Klamauk zu verwechseln ist: Die szenische Umsetzung
der aufgezeichneten Privattelefongespräche durch die auch optisch verwegene US-Truppe ließ
keine Langeweile aufkommen und unterstrich neuerlich die Relevanz zeitgenössischer
Theaterformen, die Mut zum Traditionsbruch haben.

Nicht nur der Cowboy, der Fledermausmann, ein (jüdischer?) Pirat und die rothaarige Meisterin
im Gesichterschneiden verwandelten die Gespräche über russisches Katzentheater,
Alkoholmissbrauch, Johnny Depp oder die Einführung von Zigarettenwerbung im Theater in ein
sinnliches Bühnenerlebnis. Die Erörterungen wurden mit Dialogen eines Amateur-Dinnertheaters
verschränkt, wobei sämtliches Textmaterial den Akteuren über Ohrhörer zugespielt wurde. Da die
Reihenfolge der Einspielungen flexibel ist, entstehen (auch für die Darsteller)
Überraschungsmomente.

Das von Kelly Copper und Pavol Liska erstellte Konzept für "No Dice" ist ebenso einfach wie
genial: Auch scheinbar beiläufige Texte können das Zeug zum Melodram-Spektakel haben.
Durch Adaption und Manipulation kann Alltag in Kunst kippen. Das Theater ist allgegenwärtig,
man muss nur den Blick dafür haben und ein Aufnahmegerät einschalten.

In "No Dice" unternimmt das "Nature Theatre of Oklahoma", das vor Vorstellungsbeginn dem
Publikum Sandwiches streicht, Rhythmuswechsel. Auf der nur mit Grünpflanzen, weißen Wänden
und einem theatralischen Vorhang akzentuierten Bühne agiert die Truppe bisweilen wie Village
People auf Speed, ehe sie leise Töne anstimmt. Am Ende sind Textwiederholungen zu hören,
nach der Demaskierung verfolgen die Akteure ein akustisch-visuelles Tonbandprotokoll. Das
Spiel ist aus, der "steirische herbst" hat einen Höhepunkt erlebt.

Martin Behr



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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