steirischer herbst 2007
Kleine Zeitung - 20.09.2007
Die Magna Charta zur Freiheit der Kunst gilt für beide Seiten
Der stets umstrittene "steirische herbst" ist 40. Alles Gute, Opa!

Dass uns ein netter Herr mit Wetterfleck und Steirerhut die Augen und damit den Kopf für
Avantgarde öffnet, kann sich heute keiner mehr vorstellen. Aber es gab ja einen Hanns Koren.
Der Mann mit dem weichen Gesichtszug und dem harten Gerechtigkeitssinn gründete 1968 nicht
nur den "steirischen herbst", sondern verteidigte ihn auch mit Feuer und Schwert.

Die Landtagsrede des ÖVP-Politikers 1975 nach den Tumulten um Wolfgang Bauers
"Gespenster", bei denen man den Autor, Koren selbst und am besten gleich das ganze
Künstlerpack zum Teufel wünschte, ist heute noch als Magna Charta zur Freiheit (nicht nur) der
Kunst gültig. Nachzulesen auf Wikipedia unter Hanns Koren.

"Ungeahnte, den Außenstehenden oft unverständliche Wege zu suchen und zu gehen, ist das
legitime Recht des schöpferischen Menschen", sagte Koren damals. Der Reflex blieb dennoch
immer der selbe: "Skandal! Schaffen wir den steirischen herbst ab!"

Übertroffen wurde er nur noch durch die paradoxen Rufe: "Kein Skandal! Schaffen wir den
steirischen herbst ab!" Mit den alljährlichen Abgesängen auf das Festival könnte man mittlerweile
ein fröhliches Liederbüchlein binden und sogar unsere Zeitung hat ja eine Partitur dazu geliefert.

Ja, der "herbst" - in Zeiten der Globalisierung verwechselbarer geworden - ist in die Jahre
gekommen. Heuer feiert er seinen 40er. Alles Gute, Opa! Aber mit dem Festival ist es so wie im
echten Leben: Alter ist weder Krankheit noch Makel, höchstens für die, die glauben, dass es sie
nie ereilen wird.

Viel eher ein Makel war die lang geübte Praxis des "herbstes", sich mit den Gegnern wenig bis
gar nicht auseinanderzusetzen. Wenn jemand nicht für das "Lichtschwert" war oder nicht für ein
Plakat, das einen nackten Hintern zeigte mit der Aufschrift "Das älteste Blasinstrument der Welt",
der wurde im besseren Fall als Spießer und im schlechteren als Nazi ins Eck verdammt.

"Wo von vornherein der Schlachtruf ertönt: ,Über solche Dinge gibt es keine Diskussion!', dort
gibt es eben leider keine Diskussion", wusste Koren und meinte damit die voreiligen Kritiker. Dies
gilt aber gleichwohl für Kunst und Künstler selbst.

Die Wege sollen weiterhin "ungeahnt, oft unverständlich" sein. Und wenn wie unter der
Intendantin Veronica Kaup-Hasler eine erfreuliche Öffnung des Festivals und Durchdringung von
Stadt und Land hinzukommen, ist das heurige Motto "Nahe genug" nicht bloß eine Leerformel.
Man sieht also: Auch Opas sind lernfähig.

MICHAEL TSCHIDA



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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