steirischer herbst 2007
Der Standard - 04.10.2007
Buenos Aires im Chaos
Lola Arias inszeniert beim "herbst"

Science-Fiction-Stimmung in einem nuklear verseuchten Buenos Aires, die Zertrümmerung der
Liebe eines Paares vor den Augen ihres Babys, ein Wettkampf zwischen unglücklich verliebten
Lebensmüden - das ist der Stoff, aus dem die Fantasien der argentinischen Schriftstellerin Lola
Arias gemacht sind.

Erstmals in Europa zeigt die 31-Jährige beim steirischen herbst im Dom im Berg ihre
Theatertrilogie "Revolver-Traum / Striptease / Die Liebe ist ein Heckenschütze". Darin versinkt
Buenos Aires im Chaos, und die aberwitzigen Spiele der Selbstmordkandidaten werden von einer
Elfjährigen moderiert. "In der Schule", so die Autorin, sei ihr zum Verhängnis geworden, dass
sich ihr Name auf pornografische Ausdrücke reimte: "Kinder sangen Lieder mit meinem Namen,
die mich zum Weinen brachten."

Mit Babyaugen
1976, im Jahr ihrer Geburt, fand der erste Militärputsch in Argentinien statt. "Viele Männer und
Frauen verschwanden, und viele in jenem Jahr geborene Babys wurden getötet. Ich aber sah die
Welt mit Babyaugen, und alles schien so sonderbar, so schön." Über ihre Arbeitsbedingungen
notiert sie in ihrem Festival-Weblog: "In sieben Jahren künstlerischen Schaffens in Argentinien
habe ich niemals Geld verdient. Aber in letzter Zeit konnte ich Projekte in anderen Ländern
verwirklichen, um dann das ausländische Geld in meine argentinischen Stücke zu stecken, die
keinerlei Fördermittel von der Regierung bekommen." Die Künstlergruppe, die sie mitbegründet
hat und in deren Rahmen sie arbeitet, trägt den poetischen Namen Compañía Postnuclear.
"Und die Schauspieler, mit denen ich arbeite, sind eine Gruppe unglaublicher Wesen im Alter von
eins bis 50, die nicht nur Theater spielen, sondern auch ihre eigenen Stücke inszenieren oder als
Maurer arbeiten, Psychiater sind, an der Milchflasche saugen oder in die Schule gehen." Lola
Arias schreibt neben Theatertexten auch Lyrik und Erzählungen. Sie ist zugleich Schauspielerin
und Regisseurin. Ihr Interesse gilt den Grenzen zwischen Realität und Fiktion.

Ihre jüngste Arbeit, "Chácara paraiso: art police exhibition" (2007), eine Installation in einem
Wolkenkratzer in São Paulo, die sich mit den Biografien von Polizisten und deren Familien
auseinandersetzt, realisierte sie zusammen mit ihrem Freund, dem deutschen Theatermacher
Stefan Kaegi von Rimini Protokoll.

Helmut Ploebst



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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