steirischer herbst 2007
Die Welt - 13.10.2007
Österreichs jüngstes Theatertalent landet einen Flop


Als Dramatikerin von erst 24 Jahren ernst genommen zu werden, ist eine große Leistung. Die Österreicherin Gerhild Steinbuch hat sie vollbracht. Davon zeugen mehrere Preise sowiePremieren in Theatern mit künstlerischem Anspruch - von Graz bis Essen. Ihre
Familiengeschichten leben zum einen von einer verknappten, immer wieder poetischen Sprache, zum anderen von nie gelüfteten Geheimnissen, die zwischen Realität und Traum angesiedelt
sind. Das Uneindeutige regt die Fantasie an, allein - die Verrätselung birgt auch Gefahren: Zuweilen wird Tiefe suggeriert, wo keine ist, nur Ungenauigkeit.

Gerhild Steinbuch schrieb "verschwinden oder Die Nacht wird abgeschafft" im Auftrag des Festivals "steirischer herbst". Als Regisseur wünschte sie sich den jungen, viel beachteten
Schweizer Roger Vontobel, der bereits ihr Stück "schlafengehn" uraufgeführt hat.

Ein vertrackter Text. "Man kann ihn schon verstehen", behauptete die Autorin in einem Interview, "man muss ihn halt fünfmal lesen." Vontobel hat ihn gewiss öfter gelesen, zudem war Steinbuch offenbar in den Probenprozess eingebunden. Weshalb wirkt dann das Ganze so unausgegoren? Das Problem liegt wohl auch im Werk selbst. Es handelt sich um eine sehr freie Adaptierung des Antigone-Stoffs von Sophokles, verschärft durch die Thematik des Umgangs mit alten Menschen bis hin zu Sterbehilfe und Greisenabmurksen. Die Verknüpfung will nicht so recht einleuchten.

An Namen übernahm die Verfasserin aus der Antike bloß Haimon, den Verlobten der Antigone, die nun Lara heißt. Ihr Bruder "Oed" hat nur aufgrund seiner undefiniert engen Geschwisterbeziehung mit Oedipus zu tun. Haimons Vater wird Heinz genannt, seine Mutter
schlicht "Dame". Ein "Alter" ist, was sein Name sagt. Die Inszenierung vertraut über weite
Strecken auf lästig-läppische Pantomime mit ebensolcher Musikuntermalung. Türen und Fenster werden geöffnet, die nicht da sind, aber umso heftiger quietschen. Besonders apart: der eheliche
Geschlechtsverkehr als Hochleistungs-Aerobicübung. "Super, Schatzi", lobt Heinz danach die Gattin und sich. Naturgemäß ein Regieeinfall Vontobels.

Haimons schlaflose Mama geht im Finstern spazieren. Was passiert da draußen Unheimliches? Gerhild Steinbuch gibt eine vage, beinah lyrisch raunende Erklärung: " Nachts hält die Stadt den Atem fest, und wenn jemand das Haus verlässt, entfährt ihr leis ein Schrei." Wir vermuten wegen des nett dudelnden Seniorenchores in Spitalshemden: Jene, die nicht mehr fit sind, werden abgeschoben und entsorgt. Der brüderliche Außenseiter Oed (noch am besten von allen: Claudius Körber) spielt nicht mit, er ist Krankenpfleger und politischer Kämpfer gegen den Jugendwahn zugleich. Weshalb er freilich seiner Oma das Genick brechen muss, bleibt ein Mysterium. Schade, dass die unsäglich platte Produktion nicht einmal Neugier weckt zu wissen, warum geschieht, was geschieht.

Gerhild Steinbuch hat sich mit ihrem verquasten Nacht-Scherzo einfach überhoben. Bei Verzicht auf eine weitere Zusammenarbeit mit Roger Vontobel winkt dramatische Besserung.

Ulrich Weinzierl



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
created with wukonig.com
Bitte installieren Sie den Flash Player 8.
Sie können Ihn kostenlos unter folgender Adresse herunterladen: http://adobe.com/go/getflashplayer/