Wiener Zeitung - 22.09.2007
Dabei sein war wieder einmal alles


Als unverbesserlicher Optimist machte man sich zur Eröffnung des Avantgardefestivals
"steirischer herbst" auch im 40. Jahr seines Bestehens auf.

Seit dem Grazer Kulturhauptstadtjahr 2003 präsentiert sich die mit öffentlichen Verkehrsmitteln
unerreichbare und von allem, was sich Infrastruktur schimpft, verschont gebliebene Helmut-List-
Halle, ein ehemaliges Werksgelände, als Hauptspielstätte. Zumeist schummrig die Beleuchtung
im Foyer, das Wiedertreffen mit vielen lieben Bekannten - wenigstens einmal im Jahr - oft der
einzige Lichtblick.

Was auch für die künstlerische Darbietung im eigentlichen Konzertraum gilt. Dort hatte sich eine
"Staalplaat" genannte, vorgeblich mit experimenteller Musik beschäftigende Gruppe
vorgenommen, die Halle selbst zum Klingen zu bringen.

Kreisende Lichtkegel und Hubschrauberlärm

Das akustische Ergebnis waren dann ein paar heulende Sirenen, über das Publikum kreisende
Lichtkegel und hoch über den Häuptern sich bewegende Papierfähnchen. Dazwischen wurden
die Notausgangstüren geöffnet und die lautstark aufgedrehte billige Radiomusik der die Halle
umkreisenden Cabrios und zeitweise auch Hubschrauber-Geräusche drangen herein.

Nach etwa einer Stunde war der Spuk vorbei, und der geduldige Zuhörer durfte darüber rätseln,
ob er Ähnliches, nur viel spannender und besser gemacht, nicht schon von John Cage, Karlheinz
Stockhausen oder Edgard Varèse (Namen, die man in diesem Zusammenhang kaum zu nennen
wagt!) vernommen hat.

Glücklicherweise hat die in ihrem zweiten Jahr amtierende "herbst"-Intendantin Veronica Kaup-
Hasler - übrigens sehr geschickt und nachdenklich stimmend - erst anschließend das Wort
ergriffen. Wer wollte oder mochte, durfte daraufhin beschämt darüber sein, was er an dem zuvor
Erlebten - unter dem Motto "Closed Enough", über dem ganzen diesjährigen "herbst" stehend -
nicht wahrgenommen hatte.

Erfreulich stumme Anwesende war die von Bundespräsident Heinz Fischer, einem geborenen
Grazer, angeführte Politikerschar. Ob die als Empfang des Grazer Bürgermeisters und des
steirischen Landeshauptmannes gereichten sparsamen Happen sich nach dem künstlerischen
Ergebnis des Abends gerichtet haben oder umgekehrt, war nicht auszunehmen.

Ernst Scherzer