Kleine Zeitung - 15.10.2007
Wie die Liebe den Bach runtergeht
Der "steirische herbst" endet mit einem Wandertag. Bei der Tour d' Amour sind wir mitmarschiert. Fazit: In der Liebe spielt Rechtschreibung eine Schlüsselrolle.
Die Liebe ist eine Sau." Zitiert Autor Franzobel aus seinem Buch "Liebesgeschichten". Er sitzt im Andritzer Wasserwerk vor einer Skizze, die blau gestrichelt Wege des Wassers zeigt. Ja, so ist das, wenn die Liebe, wie für Franzobels Antiheld, den Bach runtergeht. Aus. Schluss. Vorbei. So endet die Tour d' Amour, ein Projekt von "steirischem herbst", Akademie Graz und Katholischer Hochschulgemeinde.
Aber fangen wir doch lieber von vorne an. Rund 40 liebeshungrige Menschen steigen am Karmeliterplatz in ein eher unromantisches Gefährt, einen GVB-Bus. Im Gepäck der "Walking Conference": Ein Ghettoplaster, der Schlager wie "Verdammt, ich will dich" oder "Ohne dich schlaf' ich heut Nacht nicht ein" ausspuckt. Angeblich ausgewählt von Michael Ostrowski. "Ich mag das, wie Schlager versuchen, die große Liebe in drei Minuten zu erklären", sagt der Schauspieler.
In blauer Uniform, mit einem Megaphon bepackt, führt der Reiseleiter den Ausflug ins Land der Liebe an. Erste Station: die katholische Hochschulgemeinde. Pikantes Detail: Die Tische bilden ein U-Hakerl, so aufgefädelt fühlt man sich, als sei man beim Speed-Dating gelandet und werde nun im Fünf-Minuten-Takt wie in der Endlosschleife angemacht.
Die große Liebe
Der inhaltliche Hintergrund lautet: Zeit hat die Liebe eingeholt, vielleicht sogar überholt. Ist man sich zwischen Flirtkursen, virtuellem Sex und Fernbeziehungen noch nahe genug? Zur Reflexion bleibt, wie im echten Leben auch, keine Zeit. Es folgt der nächste Test. Geht Liebe durch den Magen? Die Philosophin Ruth Sonderegger nimmt solche Klischees aufs Korn. "Wann erkenne ich meine große Liebe?", fragt einer auf pinkem Notizzettel. "Auf dem Sterbebett", antwortet sie.
Weiter geht der Liebesreigen. Auf einer Spielwiese für Liebespärchen, am Lustbühel, wird die Schrift der Liebe seziert. "Liebesbriefe sind, ausgehend vom 19. Jahrhundert, ein männliches Genre", betont die Schweizer Liebesbriefforscherin Eva Lia Wyss. "Männer forderten Leidenschaft, Frauen antworteten brav darauf." Neue Formen wie SMS oder E-Mails setzen diese Gesetze außer Kraft. Insgesamt 8000 Dokumente hat sie untersucht. Können Worte das Herz erobern? Ja, vorausgesetzt, die Rechtschreibung stimme. Sonst geht am Ende erst recht alles den Bach runter.
Reden über die Liebe. Gemeinsam mit dem Literaturhaus Graz und der KHG inszeniert die Akademie Graz weitere Liebessitzungen. Die Details: www.akademie-graz.at
Julia Schafferhofer
20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst