steirischer herbst 2007
Der Standard - 25.09.2007
Entfesselte Körper im erstickenden Zelt
Zweierlei Performance-Maß beim "herbst"

Tief stapeln ist des schwedischen Selbstvermarkters Mårten Spångbergs Sache nicht.
Und so schaffte es der clevere Kurator, Theoretiker und Performer auch, eine Reihe
renommierter europäischer Veranstalter davon zu überzeugen, seine Idee von einem mobilen
Theater mitzutragen, das selbst eine Performance ist. Das Ergebnis heißt "The Theatre" und ist
nun beim steirischen herbst in Form eines Plastikzelt-Kubus zu sehen, der als Bauwerk eine
einigermaßen schwache Performance hat (lärmdurchlässig, kalt, mit stickigem Foyer). Dass ein
Bau eine Performance sein kann, ist aus der Architektur bekannt. Spångberg inszeniert dieses
Wissen auf dem Grazer Karmeliterplatz. Leider ohne es mit einer weiterführenden Idee zu
präzisieren. Warum 40 (!) Künstler und ein Architekt nötig waren, um diese ungastliche Hülle zu
kreißen, bleibt rätselhaft.

Nicht viel besser gelang denn auch die erste Aufführung darin. Der norwegische
Performanceclub Baktruppen - sieben reifere Menschen - lieferten zwei Stücke ab, in denen der
Humorgehalt im modernen Tanz getestet wurde. Besonders nett: Keiner der Darsteller ist als
Tänzer trainiert - ihre Körper entsprechen keineswegs üblichen Tänzerfiguren. Sobald sie also
tanzen, stellen sie Tanz als Konvention infrage. Obwohl diese Art der Kritik längst kanonisiert ist,
bleibt die Gruppe in den Niederungen der Parodie stecken. Gerade Mårten Spångberg hat in
seinen Solos Powered by Emotion und Heja Sverige glaubhaft dargestellt, dass der Körper des
Nichtprofis mit Qualitäten tanzt, die Berufstänzer längst wegtrainiert haben. Die Baktruppen
wollen sich aber nicht auf die karikierende Wirkung ihrer Tolpatschigkeit verlassen, sondern legen
noch eine Blödelebene drauf. Vor 20 Jahren wäre das subversiv gewesen. Heute wirkt es nur
noch stümperhaft. Damit verirrt sich der Abend ins Spaßmachereck.

Weniger luftig als die Spaßvögel im Zelt hatte es der deutsche "Künstlerzwilling"
deufert+plischke in der Schlossberggrotte Dom im Berg mit Reportable Portraits . Das Paar und
seine drei Mittänzer gaben eine harte Nuss zu knacken. Während der vergangenen drei Jahre
hatten sie noch unverkennbar Melancholie zu ihrem Thema gemacht und dabei geschickt Bildund
Textebenen eingezogen.

Ihre neue Arbeit hingegen verkleiden sie zu einer konventionell aussehenden
Bewegungsperformance, die über ihre Struktur (fünf Szenen, fünf Tänzer, zweimal fünf
Paarleuchten) und ihre präzisen Gestenkombinationen als zarthumorige Choreografie von den
Hintergründen des Porträtierens berichtet.


Helmut Ploebst



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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