steirischer herbst 2007
Falter - 17.10.2007
Spielplan


Herbst-Theater-Abschluss: Mit seinen beiden letzten dramatischen Produktionen zeigt der steirische herbst noch einmal, wie vielfältig Theater sein kann. In der österreichischniederländischen
Uraufführung "feminine delight" gewähren zunächst Franz Poelstra und Robert Steijn, musikalisch begleitet von Martin Siewert, Einblick in ihre Fiktion einer Frauenkarriere. Mit kluger Dramaturgie werden dabei die Erzählebenen verwischt. Jene, wo zwei Männer vorgeben,
Frauen zu sein, und jene der Tänzerinnen-Muse, die von ihrer Geliebten erzählt: von Aufstieg und Fall eines Stars. Wenn Robert Steijn seinem bierbauchigen Männerkörper vor Spiegel und
Publikum grazil-feminine Bewegungsversuche abnötigt, ist das jedoch nur Vorspiel. Der entscheidende Dreh der Inszenierung ist vielmehr, dass die beiden Mannsbilder zeigen wollen, wie sich wahre Schönheit im Tanz aus weiblicher Sexualität ableitet. Während die Herren in hohen Absätzen ihre Vagina besingen (und ihre Eierstöcke), klafft in der Tunten-Farce ein tragikomischer Abgrund. Insofern hätte es des zweiten Akts, wo melancholisch von Alter und Karriereknick erzählt wird, gar nicht bedurft.

In einen ganz anders fremden Kosmos entführt die argentinische Theatermacherin Lola Arias mit ihrer gut abendfüllenden Trilogie. Die drei kurzen Stücke verhalten sich wie thematisch verknüpfte Short Cuts, dramatisierte Kurzgeschichten von Menschen aus einem düsteren, zerstörten Buenos Aires, denen das Leben im Allgemeinen und die Liebe im Besonderen auf die Seele drückt. Sehr schlicht die Erzählweise. Auf der Bühne: nur das Notwendigste. Ruhige, knappe Dialoge, Gelassenheit, Unmittelbarkeit im Spiel. In der dritten Episode "Die Liebe ist ein
Heckenschütze" finden die Traumbilder und Songs, von denen die Menschen der ersten beiden Teile nur erzählen, zusammen, ein seltsames Spiel beginnt: russisches Roulette der (von ihrer
Liebe) Versehrten, darunter Kinder und Jugendliche, letzte heimliche Wünsche. Im Traum finden offene Handlungsfäden zueinander, fällt schließlich der bereits in der ersten Geschichte
"Revolver-Traum" drohende Schuss, der Schluss macht. Lola Arias hat selbst Regie geführt, sie setzt formal auf ein Crescendo in der Präsenz von Licht und Livemusik, das dem Abend zunehmend Dynamik verleiht. Nichts lenkt vom Text ab, keine Brüche oder dramaturgischen Kunstgriffe. Die kunstvoll mit zartem Humor und großem poetischen Fingerspitzengefühl geschaffenen Dialoge halten das Stück zusammen. Unprätentiös wie kluge Prosa.



Hermann Götz und Gregor Schenker



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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