steirischer herbst 2007
Falter Steiermark - 03.10.2007
Nach Moskau! Und zurück. (herbst-Parcours II)


Die Beziehungen zwischen Moskau und Graz sind seit den späten Achtzigerjahren auf
künstlerischer Ebene eng. Dass Peter Pakesch der erste Kurator war, der damals Ilya Kabakov
im Grazer Kunstverein und also im Westen ausstellte, zog so einiges an Unverhältnismäßigkeit
nach sich, lässt Graz von Moskau aus in künstlerischer Hinsicht immer noch ein wenig größer
und bedeutungsvoller erscheinen, als es tatsächlich ist, wie Herwig Höller berichtet. Zusammen
mit Irina Gorlova hat der Falter-Autor im Forum Stadtpark im Rahmen des steirischen herbst die
Ausstellung "Moskau-Graz" (bis 21.10.) ausgerichtet, in Entsprechung einer vor zwei Jahren in
Moskau abgehaltenen Schau. Und es zeigt sich, dass, aus gebührender Distanz betrachtet, Graz
nicht nur größer, sondern auch näher an der eigenen Vergangenheit gedacht sein kann, wie - auf
gut russisch - an der monströsesten Persönlichkeit festgemacht wird, die das Abendland zu
bieten hat. Vladimir Salnikov handelt das russische Hitlerbild der Dreißigerjahre ab, zeigt die
Armseligkeit des Protospießers in karikierender Zweisamkeit mit einem Schäferhund-Roboter.
Das steirische Künstlerduo G.R.A.M. antwortet in Nachstellung verbindlicher Ikonen des
russischen Totalitarismus. Eine der wenigen herbst-Ausstellungen, die lokale Produktion und
Kunstgeschichte auf schlaue Weise in einen internationalen Kontext rückt.

Vierzig Jahre steirischer herbst - da hätte sich auch eine dokumentarisch-rückwärtsblickende
Ausstellung zur Festivalgeschichte angeboten. Das - stets vorwärts blickende - Festival hat der
Versuchung aber widerstanden und mit "Reading Back and Forth" im Grazer Stadtmuseum (bis
4.11.) eine strenge Konzeptschau mit acht Auftragsarbeiten realisiert, die das Jubeljahr zum
Anlass nehmen, sich grundsätzlich mit Fragen der Festivalidentität auseinanderzusetzen. Das
Feld der Arbeiten reicht von der Institutionenkritik einer Maria Eichhorn, die bereits die documenta
11-Macher mit der Gründung einer gemeinsamen Aktiengesellschaft quälte und in Graz mit
"12,37 bis 36,08" der Entwicklung des Frauenanteils im herbst-Programm nachspürt, bis zur
witzigen Aktion von Annika Eriksson, die Landesrat Kurt Flecker zur Eröffnung der Ausstellung
eine Rede von Hanns Koren aus dem Jahr 1968 vorlesen lies. Mitunter gerät das Ganze aber
deutlich zu spröde - Joke Robaards Assoziationskette zu herbst-Themen ("Endless Shirt") etwa
ist ohne umfassende Lektüre kaum nachvollziehbar, ein blasser Insider-Schmäh. Dennoch: ein
klarer Kontrapunkt zur üblichen Hochglanzproduktionsmaschinerie des Kunstbetriebs.

Nahe genug ins Innerkünstlerische vorzudringen versucht der Beitrag des Grazer Kunstvereins
zum steirischen herbst (bis 15.12.). "Die Blaue Blume" heißt das romantisch. Schließlich finden
sich die hehren Ideale der Romantik, Kunst und Betrachter möglichst in der gleichen Utopie zu
fangen und Bedeutung oder - im Konstuktivismus - die pure Form so unmittelbar wie nur möglich
vom einen zum anderen zu transferieren, im 20. Jahrhundert wieder. Wenn also Lázló Moholy-
Nagy ganze Bildentwürfe per Telefon an den Produzenten durchgeben konnte, müsste sich wohl
auch aus einem via Postkarte verbrieften Teppichentwurf der Bauhaus-Künstlerin Anni Albers
künstlerisches Kapital schlagen lassen. Vivika Sopp und Nataliya Sukhorukova zeigen vor, wie
es handgewebt gehen könnte. Deutlich romantischer fällt die Haltung der übrigen
Anverwandlungsstrategien aus, die über den Entwurf hinaus und gleich ans Eingemachte
modernistischer Utopien wollen.

Ulrich Tragatschnig und Thomas Wolkinger



20/09 - 14/10/2007
steirischer herbst
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